Magazin: CD-Kritiken
Schubert + Schoenberg

Schubert + Schoenberg: Can Cakmur, Klavier
Frühe Reife
Can Çakmurs Schubert und Schönberg lässt kaum Wünsche offen.
Das Klischee will es, dass vor allem das späte Klavierwerk Franz Schuberts (1797-1828) an den Interpreten gewisse Bedingungen stellt, unter anderem eine geistige Reife, die oft mit fortgeschrittenem Alter einhergeht. Was wohl Schubert selbst dazu gesagt hätte, der bekanntlich mit nur 31 Jahren ein Werk hinterließ, das an geistigem Reichtum bis heute wohl unerreicht ist? Zum Glück gibt es Ausnahmen wie den 1997 in Ankara geborenen Can Çakmur, der auf vorliegender SACD den Grundstein für eine Einspielung der großen Klavierwerke Schuberts legt, und diese mit Werken anderer Komponisten verbindet, die von diesem inspiriert wurden. Auch wenn Çakmur auf der internationalen Bühne kein ganz Unbekannter mehr ist, dürfte diese Aufnahme eine weitere beeindruckende klingende Visitenkarte sein, die eben nicht Liszt, Chopin oder Rachmaninow zum Inhalt hat, sondern die Schubert-Sonaten in a-Moll D537, die 41 Minuten kurze ‚späte‘ Sonate in A-Dur D959 sowie die rund 15 Minuten dauernden Drei Klavierstücke op. 11 von Arnold Schönberg (1874-1951) in der Mitte.
Wohlüberlegte Empfindung
Hört man in das „Allegretto“ der a-Moll-Sonate hinein, besticht vom ersten Moment die schwebende federnde Leichtigkeit des Anschlags, die vor allem für die melodischen Oktavierungen in den hohen Registern von großem Vorteil ist. Doch auch der akkordisch wuchtige Anfang der A-Dur-Sonate lässt durch seine Plastizität direkt aufhorchen. Zeigt der von Çakmur selbst verfasste Booklet-Text, dass er Schuberts Klavierwerk intellektuell durchdrungen hat, belegt das Gehörte unmittelbar, dass hinter der Rationalität ein intuitiver Zugang steckt, der die himmlischen Längen in all ihrer zeitlichen Besonderheit klar zu entschlüsseln weiß. Çakmurs Klangästhetik ist dabei vornehm schlank und deutet eher in Richtung Wilhelm Kempff als in die eines Horowitz, Freire oder Lang Lang, die mit ihrem großen Virtuosenton bei Schubert tendenziell ‚verdickend‘ wirken. Apropos Klangästhetik: Zu hören ist auf dieser klangtechnisch brillanten SACD in hoher Auflösung ein Shigeru Kawai SK-EX Concert Grand Piano, mithin also eine echte Kostbarkeit. Und von dieser macht Can Çakmur auch allen Gebrauch. Nicht nur bei den leisen Stellen wird man zum Zeuge gestalterischer Feinheiten, die sicher auch durch das Instrument überhaupt erst zum Vorschein gelangen. Auf diese Weise offenbart sich auch bei Schönberg ein nuanciertes Spiel der Klangfarben, das in seiner sinnlichen Ausstrahlung für manche unerwartet sein dürfte. Besonders in Surround entsteht der intime Eindruck von Nähe. Klangtechnisch wurde hier, wie so oft bei BIS, ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Wiener Klassik und Zweite Wiener Schule
Die Drei Klavierstücke von Schönberg wählte Çakmur nach eigener Aussage, um die Nähe des dritten Klavierstücks zum Mittelteil des „Andantinos“ der A-Dur-Sonate aufzuzeigen, auf die schon Alfred Brendel hinwies. Freilich bräuchte es im Zeitalter des Musikstreamings dafür keine eigene Einspielung. Gerade jenen Mittelteil nimmt Çakmur jedoch überraschend gedämpft. Wo andere eine klanggewordene existentielle Katastrophe schildern, scheint es hier mehr darum zu gehen, den formalen Bruch objektiv zu präsentieren. Unterm Strich bleibt ein faszinierender „Schubert+“, der interpretatorisch und klangtechnisch kaum Wünsche offenlässt. Auf die nächsten Teile der Reihe darf man gespannt sein.
Dr. Aron Sayed, 14.08.2023
Interpretation:
Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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