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C.P.E. Bach: Sonatas for Keyboard & Violin

Details zu C.P.E. Bach: Sonatas for Keyboard & Violin: Rachel Podger, Kristian Bezuidenhout

C.P.E. Bach: Sonatas for Keyboard & Violin: Rachel Podger, Kristian Bezuidenhout

Sonaten in Entwicklung

Carl Philipp Emanuel Bach umschreibt einen eigenen kompositorischen Kosmos. Rachel Podger und Kristian Bezuidenhout richten gekonnt einen Blick auf sein durchaus eigenwilliges Sonatenschaffen.

Die Geigerin Rachel Podger und der Cembalist und Pianist Kristian Bezuidenhout stellen auf einer aktuell bei Channel Classics erschienenen Platte Carl Philipp Emanuel Bach als Sonatenkomponisten vor – in Werken für Tasteninstrument und Violine, die sehr verschieden in der formalen Ausformung sind, auch in der immer wieder heiklen Definition des Verhältnisses der beiden Instrumente zueinander. Dabei umschreiben die erklingenden vier Sonaten und das im Zentrum stehende ‚Arioso con variazioni‘ einen langen Entwicklungsweg des heute bekanntesten Sohns Johann Sebastian Bachs.

Es beginnt mit der Sonate in g-Moll, die in der Vergangenheit beiden, also Vater und Sohn, zweifelsfrei zugeschrieben wurde. Wer war der Urheber, zeichnen womöglich beide, in einer Lehrer-Schüler-Konstellation verantwortlich? Letzteres scheint angesichts der Befunde durchaus möglich – Gestus und Faktur, das Verhältnis der Instrumente zueinander, der klavieristische Satz, die Melodiebildung lassen eine Kollaboration möglich scheinen, aber eben auch den experimentierenden Vater wie den vom Vater auf erste Höhen begleiteten Sohn. Man ist hörend hin- und hergerissen auf der Suche nach Klarheit: Ist da nicht, bei aller zu verzeichnenden strukturgebenden Basslastigkeit, doch schon eine elegantere Akkordik zu hören, sind es nicht hier und da Begleitgesten reinsten Wassers, die mehr an den Sohn denken lassen? Scheint nun im Adagio der reife, barocke Lyrismus des Vaters auf oder schon die galante, emotionstiefe Linearität des Sohnes? Zu entscheiden ist das auch nach dieser Lektüre nicht; Anzeichen finden sich, wie angedeutet, für alle drei Varianten: Vater, Sohn oder Vater und Sohn.

Galanter Ton

Die Sonate in D-Dur Wq. 71 ist die 1746 entstandene Überarbeitung eines Jugendwerks von 1731. In ihrer viersätzigen Anlage könnte sie auf den ersten Blick altmodisch wirken – doch tut sie das allenfalls in dieser formalen Eigenschaft, nicht aber in ihrer ästhetischen Ausrichtung: Der Ton ist galant, die Linearität überschießend, damit kontrastiert eine punktierte Repräsentativität nach Art der Ouvertüren, schließlich mündet das Geschehen in einen intimen Menuett-Kehraus.

Deutlich sind die Befunde bei den beiden Sonaten in c-Moll und h-Moll Wq. 78 und 76, die 1763 entstanden sind und den gereiften, typischen Carl Philipp Emanuel zeigen: Viele kurze, scharf gezeichnete Gesten sind eingebettet in harmonische Würze mit manch chromatischem Verlauf, in den Ecksätzen zudem mit wenig vordergründiger linearer Schönheit – der Komponist kontert diese Beobachtung dann in den Binnensätzen mit allerfeinst ausgesponnenen Lyrismen.

Schließlich das ‚Arioso con variazioni per il Cembalo e Violino‘ aus dem Jahr 1780: Das gehört deutlich der klassischen Epoche und ihrem wachen Interesse an der Variationskunst an. Im umfassenden, fundierten Text des dreisprachig gehaltenen Booklets wird das Stück zutreffend als ‚hyperexpressiv‘ und ‚empfindsam‘ beschrieben – nach seiner genuinen Ausdrucksform trifft das in jedem Fall zu, mit einer Violine, die keinesfalls die unumstrittene Führungsrolle innehat. In diesem Stück kulminiert, was sich mit Blick auf die vier anderen andeutet: Bachs Zugriff auf die Idee der Sonate in maximaler formaler Vielfalt.

Intensive kammermusikalische Interaktion

Kristian Bezuidenhout spielt konsequenterweise auf zwei verschiedenen Instrumenten: Die beiden ältesten Arbeiten erklingen auf einem Cembalo – es ist ein 2010 entstandener Keith-Hill-Nachbau nach einem französischen Instrument von Pascal Taskin aus dem Jahr 1769. Das Cembalo verfügt über einen lichten Klang, mit einem Diskant von schimmernder Helle und einiger Eleganz, dazu einem Bass von kernhaltigem Charme. Es entfaltet fast schon gesangliches Potenzial; die Register sind im Grunde ideal verblendet. Das Fortepiano von 2008 ist ein McNulty-Nachbau eines Anton Walter-Instruments von etwa 1805. Dieses Hammerklavier gebietet über ein farbenreiches Spektrum, zeigt sich dynamisch bereits hochvariabel, dazu kraftbegabt – und ist in all diesen bereits weit entfernt von der Cembalo-Ästhetik siedelnden Klangeigenschaften vielleicht doch um ein paar Jahre zu modern für Bachs Sonaten, wenn man bedenkt, wie rasant die Fortschritte gerade im Bau von Tasteninstrumenten des jeweils neuesten Geschmacks in jener Zeit waren.

Bezuidenhout expliziert den klavieristischen Part in beiden Welten mit Geschmack und wachem Klangsinn, wohl in der Welt der reicheren Gestaltungsmöglichkeiten des Fortepianos noch selbstverständlicher reüssierend. Hier findet er zu größtmöglicher Differenz und einer deutlich profilierten Eigenständigkeit, die dichte Vor- und Zwischenspiele zu besonderen Erlebnissen macht, zugleich technisch-rhythmisch vernehmlich Akzente setzt und dem nervösen Zug, der manchen der reifen Arbeiten Bachs eignet, gekonnt Kontur gibt.

Sichere Technik

Rachel Podger spielt Linien ohne Sentiment, bietet sichere Technik ohne Virtuosengeste – all das sicher auch wegen der die Violine nicht rundheraus als führendes Instrument exponierenden Anlage der Kompositionen. Die Geigerin erweist sich wie schon oft zuvor als uneitle Kammermusikerin. Ihr Ton ist vielleicht nicht vordergründig süffig, dient klar der Seriosität der Interpretation. Prägnant: Die Violine ist ebenso wie Cembalo oder Fortepiano Trägerin von struktureller Entwicklung. Podger spielt auf einer genuesischen Pesarinus-Violine aus dem Jahr 1739 – ein Instrument mit einem konzentrierten, modulationsfähigen, dabei alles andere als süßlichen Ton, der gleichwohl singt und spricht, der Ästhetik des fortwährenden Wandels bei Bach nichts schuldig bleibt und den Komponisten in seiner stets fortentwickelten Vielfalt abbildet.

Die Tempi sind entschieden gewählt, deutliche Charaktere werden geformt; dynamisch sind es gerade die vom Fortepiano bestrittenen Werke, die am weitläufigsten ausgedeutet und in einer ansprechenden Bandbreite abgebildet werden. Artikulatorisch liegt beiden Instrumenten daran, Struktur und Bau zu betonen, dabei Linie und feinen Klang genügend Raum gebend – aber eben nie in sentimentaler Absicht. Das Klangbild es hell und gesammelt, nicht direkt höhenlastig, aber doch vor allem mit klingender Klarheit punktend.

Carl Philipp Emanuel Bach umschreibt einen eigenen kompositorischen Kosmos. Die vergangenen Jahrzehnte haben zumindest den Beginn des Versuchs gesehen, diesen weiten Raum angemessen zu erhellen. Da, wo das Werk des Sohnes mit dem des Vaters in Fühlung gebracht wird, spürt man den enormen ästhetischen Weg, den der Jüngere in seinem künstlerischen Leben zurückgelegt hat, bis weit hinein ins Herz der Epoche der Klassik. Rachel Podger und Kristian Bezuidenhout richten gekonnt einen Blick auf Bachs durchaus eigenwilliges Sonatenschaffen.


Dr. Matthias Lange, 13.09.2023

Label: Channel Classics
Interpretation: 
Klangqualität: 
Repertoirewert: 
Booklet: 




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