Magazin: CD-Kritiken
The Art of Variation

Details zu The Art of Variation: Fabio Antonio Falcone, Cembalo

The Art of Variation: Fabio Antonio Falcone, Cembalo

Kontrapunktischer Eigensinn

Fabio Antonio Falcone gelingt eine eindrucksvolle Präsentation mit Werken von Jan Pieterszoon Sweelinck: Interpretatorisch wie im Blick auf das Repertoire.

Jan Pieterszoon Sweelinck ist für das ausgehende 16. Jahrhundert als Tastenmeister und einflussreicher Lehrer einer ganzen Organistengeneration bekannt, die ihrerseits das prägen und verkörpern sollte, was bis heute als norddeutscher Orgelbarock vertraut ist – das ist umfangreich bekannt und ebenso dokumentiert. Vor einem guten Jahrzehnt haben Harry van der Kamp und sein Gesualdo Consort Amsterdam Sweelinck dann ein klingendes Monument mit teils abseitiger Vokalmusik errichtet und damit die Rechte des Komponisten auch in diesem Reich betont – sehr eindrucksvoll und mit Recht gepriesen war das seinerzeit.

Hier, bei der aktuell vom Cembalisten Fabio Antonio Falcone bei Challenge Records vorgelegten Platte, haben wir es mit einer weiteren Facette im Schaffen des ‚Orpheus von Amsterdam‘ zu tun: Zu hören ist ein Programm von Variationen über weltliche Vorlagen – Tänze oder Lieder aus verschiedenen Traditionen und Kontexten, die Sweelinck sich auf seine kreative, dabei konsequent kontrapunktische Art anverwandelte und zu neuer Höhe erhob, vom ‚Ballo del Granduca‘ über die ‚Pavana Philippi‘ oder die ‚Paduana Lachrymae‘ bis zur ‚Allemande Gratie‘. In all diesen Sätzen werden Fantasie und Struktur, die Klarheit der Linie und die Explikation der Substanz der Sätze in all ihrer Komplexität in eine fortwährend glückende Balance zueinander gebracht. Dazu fordert Sweelinck eine spezifische – ebenfalls aus der kontrapunktischen Anlage und der Tendenz zur Diminution sich ergebende – Virtuosität, die gleichwohl nie als Selbstzweck im Vordergrund steht und damit bei gelungener Interpretation auch nicht als Vehikel des Interpreten funktionieren sollte.

Überlegene Gestaltung und diskrete Balanceakte

Fabio Antonio Falcone versteht sich glänzend auf die angesprochenen Balanceakte – egal, ob in reduzierter linearer Konzentration oder vollgriffiger Ambition: Sweelincks Musik gewinnt hier zwischen Leichtigkeit und Strenge Gestalt, als Ausdruck meisterlichen Könnens. Falcone agiert souverän und überlegen, dabei technisch unangefochten, mit Geduld bei der Explikation der strukturellen Qualitäten der Sätze, ohne Scheu auch, in den Fluss deutend einzugreifen, dadurch schöne Schlusswirkungen oder Binnenkadenzierungen erzielend. Er greift beherzt Momente tänzerischen Überschwangs auf, ebenso die sich daraus entfaltende Rasanz. Die Tempi sind insgesamt höchst variant gestaltet, auf der Basis eines im Grunde ruhigen Pulses, der die allfälligen Diminutionen in ihrer erwartbaren Rasanz umso überzeugender in sich birgt. Dazu spielt Falcone das dem Instrument an affektiver und dynamischer Differenz Mögliche entschieden aus.

Zu hören ist ein Cembalo von Johannes Ruckers, ein 1632 gebautes, ursprünglich einmanualiges Instrument mit zwei Registern. 1745 wurde die Klaviatur auf zwei Manuale erweitert, in nunmehr drei Registern, zwei Achtfuß- und einem Vierfußregister. Ausgeführt wurden diese Arbeiten wohl von Pariser Instrumentenbauern, unter Beibehaltung eines großen Teils der originalen Substanz. Der Klang ist reich an Farben, eher schlank denn füllig, mit einem mild schimmernden Diskant und einem konzentriert-sehnigen Bass. Das Instrument befindet sich im Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel in der Schweiz, wo auch die Aufnahme entstand: Das Instrument reüssiert in ‚seiner‘ Umgebung mit einem kammermusikalisch warmen, dabei komplett klaren Klangeindruck. Das Booklet informiert umfassend mit Basisauskünften zu Komponist und Gesamtwerk, dazu ausführlich und spezifisch zum Programm selbst, verbunden mit einem sehr schönen deskriptiven Porträt des Instruments – all das in englischer Sprache.

Fabio Antonio Falcone gelingt eine eindrucksvolle Präsentation: Interpretatorisch wie im Blick auf das Repertoire. Sweelincks kleine Variationszyklen nach weltlichen Vorlagen verraten den erfindungsreichen und zugleich strukturklaren Meister des Tasteninstruments.


Dr. Matthias Lange, 21.04.2023

Label: Challenge Classics
Interpretation: 
Klangqualität: 
Repertoirewert: 
Booklet: 




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