Magazin: CD-Kritiken
Karl Weigl: Piano Concerto op.21, Rhapsody

Details zu Karl Weigl: Piano Concerto op.21, Rhapsody: Oliver Triendl, Lina Johnson, Jenaer Philharmonie, Simon Gaudenz

Karl Weigl: Piano Concerto op.21, Rhapsody: Oliver Triendl, Lina Johnson, Jenaer Philharmonie, Simon Gaudenz

Facettenreich

Ein weiterer wichtiger, klanglich leider nicht ganz optimaler Beitrag zur Weigl-Diskografie.

Seit mehreren Jahren erkunden verschiedene Schallplattenlabel das musikalische Erbe von Karl Weigl (1881–1949), einem weiteren aus Wien stammenden jüdischen Komponisten, der vor den Nazis in die USA flüchten musste, wo er aber nicht an seine europäischen Erfolge anknüpfen konnte. Neben Kammermusik und acht Sinfonien schrieb er auch diverse Konzertwerke und allerhand Vokalmusik. Die Drei  Gesänge für Frauenstimme und Orchester entstanden 1916 und zeigen die Opulenz des untergehenden ‚langen 19. Jahrhunderts‘ in schöner Weise. Weigl wählt, wie auch anderer jüdische Komponisten der Zeit, Dichtungen von Ricarda Huch und kleidet diese in ein harmonisch und klangfarbig reiches Gewand. Den immensen technischen Anforderungen, die die Kompositionen an die Sängerin stellen, stellt sich Lina Johnson beachtlich, mit reicher Wärme und strahlender Höhe – in der Tiefe klingt sie etwas flach, und vor allem ihre Textverständlichkeit ist ohne Textbeilage nicht immer gewährleistet. Die Jenaer Philharmonie unter Simon Gaudenz steht der Musik verständnisinnig gegenüber und hat an der Ausführung hörbar viel Freude.

Über das umfänglichste Werk der CD, die dreisätzige Rhapsodie für Streichorchester, eine Bearbeitung des Streichsextetts d-Moll von 1981-19, erfährt man im Booklettext wenig – das ist schade, handelt es sich doch um eine vollgültige, tiefgründige Komposition für Streichorchester, die größere Bekanntheit verdient. Leider unterstützt die Aufnahmetechnik nicht immer die volle Klarheit der kompositorischen Texturen, so dass die ganze Wirkung nicht voll offenbar wird. Beeindruckend die einzelnen Satzcharaktere, darunter ein lebhaftes umfängliches Scherzo, das man in der Nachfolge Bruckners und Mahlers verstehen muss und das gleichzeitig wie Abrechnung und Reflexion wirkt.

Heroischer Gestus

1924 hatte Weigl ein Klavierkonzert für die linke Hand und Streicher geschrieben (auf Capriccio erschienen), 1931 folgte (mit den Wiener Philharmonikern unter George Széll, der Europa gleichfalls vor den Nazis verlassen musste) das Klavierkonzert f-Moll op. 21. Der heroische Gestus des Kopfsatzes lässt nichts von den Greueln ahnen, denen sich die jüdische Bevölkerung nicht nur Österreichs schon bald darauf ausgesetzt sehen sollte. Vielmehr denken wir an die großen heroischen Klavierkonzerte seiner Zeitgenossen, etwa Wilhelm Furtwängler oder Paul Kletzki. Weigls Werk entbehrt der Schwere Furtwänglers, lässt sich vielmehr in der Traditionslinie verstehen, die bis zu Schumann zurückgeht. Die Jenaer Philharmonie unter Simon Gaudenz unterstützt Oliver Triendl in der äußerst erfolgreichen Wiederbelebung der vergessenen Partitur, die den knapp fünfzigjährigen Weigl in Höchstform zeigt. Der Reichtum der Partitur ermöglicht es, auch nach vielfach wiederholtem Hören neue Facetten herauszuhören, und wer behaupten sollte, die Partitur sei überladen, sollte vermehrt auf das fast Unhörbare hören, das leider auch in der vorliegenden Aufnahme nicht ganz zu ihrem Recht kommt, bedingt durch die nicht optimale Aufnahmetechnik. Der Wirksamkeit des Werks und dem Bemühen aller Beteiligten macht das aber hörbar keinen Abbruch, und man ist als Hörer dankbar für diese Bemühungen.


Dr. Jürgen Schaarwächter, 17.02.2023

Label: cpo
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Video der Woche:

Rubinstein spielt Chopin - Etude As-dur op.25 Nr 1

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