Magazin: CD-Kritiken
Josef Haydn: Sonatas for piano

Josef Haydn: Sonatas for piano: Christian Zacharias, Klavier
Gibt es ein 'fast zu schön'?
Christian Zacharias spielt vier mittlere Haydn-Sonaten.
Der inzwischen 72-jährige Zacharias repräsentiert den Typus eines Pianisten, der in verschiedenerlei Hinsicht einen direkten Vermittlungsbezug zu seinem Publikum sucht, diesen aber auch in gewisser Weise einfordert. Es geht ihm um eine aktive Kommunikation mit seiner Hörerschaft – in erster Linie freilich durch sein durchweg klangschönes und intelligentes Klavierspiel, vornehmlich der Komponisten Scarlatti, Haydn, Mozart, Schubert und Schumann. In zweiter Linie ist Zacharias in den vergangenen Jahren immer wieder auch kompetent als Fernseh-, Rundfunk- und Konzertmoderator in Erscheinung getreten, um dem Publikum seine Sichtweisen auf die Musik, die er spielt, näher zu bringen. Zacharias setzt sich gerne in die Rolle eines Vermittlers, dem man aufmerksam zuhört, da er einiges über Komponisten und Werke zu sagen hat. Dieser Hang zur bisweilen experimentellen Veranschaulichung dokumentiert sich beispielsweise in Zacharias’ Darbietungen von Mozarts „Alla turca“-Marsch in Begleitung von Schlaginstrumenten, dem Erklingen einer Spieluhr in der Kadenz des Krönungskonzerts oder aber der mehrmaligen CD-Aufnahme ein und derselben Scarlatti-Sonate, um die Wandlungsfähigkeit von Interpretationen über einen längeren Zeitraum zu demonstrieren. In seiner jüngsten Einspielung von vier Klaviersonaten Haydns aus der Esterházy-Zeit (H16 Nr. 21, 39, 44, 46; entstanden zwischen 1766 und 1773), lässt sich diese exponierte Vermittlungsabsicht ebenfalls heraushören. Aufs Ganze gesehenen spielt Zacharias jeden einzelnen der Sätze wunderbar transparent, durchdacht und eindringlich – stets wird eine überzeugende Interpretationsidee geboten, die auf Haydns kompositorische Wandlungsfähigkeit und den Innovationsreichtum (s)eines Formschemas abhebt.
Die Auswahl der Sonaten ist geschickt getroffen, spiegeln sie doch einerseits genau jene charakterliche Mannigfaltigkeit der Haydnschen Arbeit am Werk wider, andererseits zeigen sie offen Zarachias’ abwechslungs- und intentionsreiche Zugänge zu den Kompositionen auf. Es gibt im Grunde nichts, was man an dieser 2022 beim MDG-Label erschienenen CD kritisch anmerken könnte, dafür scheint die Erfahrung von Zacharias im Umgang mit den Werken Haydns zu groß und kompetent. Vielleicht hätte man sich im Kopfsatz der zweisätzigen g-Moll-Sonate ein etwas stärker melancholisch-dunkles Grundtimbre gewünscht, wie es beispielsweise Sviatoslav Richter für das Stück finden konnte. Aber das ist eine ,beckmesserische‘ Kritik in Bezug auf eine an sich rundum eindrückliche Art, Haydns mittlere Sonaten auf dem Klavier zu interpretieren. Und vielleicht bleibt am Ende doch ein wenig der (paradoxe) Gesamteindruck des manchmal allzu Schönen und Gelungenen zurück, das in wenigen Aufnahmemomenten die Grenze zum fast schon Manieristischen tangiert. Gelegentlich drängt sich nämlich beim Hören und mit vergleichendem Blick auf ebenso verdienstvolle Darbietungen eines Brendel, Buchbinder oder Brautigam der Eindruck auf, dass man Haydn bisweilen auch bewusst nüchterner, unscheinbarer, weniger emotionalisiert spielen könnte, um gerade dessen humoristische Werkaspekte stärker zu profilieren. Aber nein, wir bleiben bei der Wertung einer nahezu perfekten Einspielung durch Zacharias, um nicht ungerecht zu werden – und dies mit der aufrichtigen Hoffnung verbunden, dass dieser große Pianist auch zukünftig für entsprechend wohlklingenden Nachschub in Sachen Haydn sorgen möge.
Dr. Kai Marius Schabram, 22.03.2023
Interpretation:
Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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