Magazin: CD-Kritiken
The young Friedrich Gulda

Details zu The young Friedrich Gulda: Friedrich Gulda, Klavier

The young Friedrich Gulda: Friedrich Gulda, Klavier

Der junge Friedrich Gulda ? remastered

Sternstunden eines zeitlosen Klavierspiels.

Die vorliegende 6-CD-Box (Label Profil/Hänssler) mit überarbeiteten Aufnahmen aus den Jahren 1948–57 zeichnen überaus anschaulich die aufstrebende Zeit des jungen Friedrich Gulda nach. Es sind diese Einspielungen – freilich zusammen mit aufsehenerregenden Konzerten (Höhepunkt Carnegie Hall 1950) –, mit denen Gulda seinen internationalen Ruf begründete und die seinen steilen Weg an die Spitze der Pianistenriege nachzeichnen. Die Aufnahmen besitzen also historischen Wert, bestechen aber (nicht zuletzt aufgrund der klangtechnischen Überarbeitung) weiterhin durch ihre großartige Qualität und Aktualität des interpretatorischen Zugriffs. Die Einspielungen enthalten Aufnahmen von Mozart (KV 503, 537, 576), Beethoven (Sonaten Nr. 4, 7, 8, 19), Weber (Konzertstück), Chopin (Klavierkonzert Nr. 1, Balladen 1–4), Debussy (Préludes Buch 1 & 2, Suite bergamasque, Pour le piano, L’Isle joyeuse), Ravel (Valses nobles et sentimentales, Gaspard de la nuit, Sonatine) und Strauss (Burleske, diverse Lieder).

Über die Bedeutung von Guldas Mozart- und Beethoven-Spiel ist bereits viel geschrieben worden. Joachim Kaiser hat es schon damals in Bezug auf Guldas Beethoven sehr passend auf den Punkt gebracht, dass man bereit sein musste, hörend umzulernen, umzudenken und umzuempfinden. Einen derart überraschenden und bewusstseinsverändernden Zugriff auf Beethoven hatte man bis dato noch nicht gehört. Kennzeichnend für Guldas frühes Spiel insgesamt ist sein rhythmisch forcierter, unprätentiöser, nicht psychologisierender aber keinesfalls unempfindsamer Ansatz. Stets erhält man bei Gulda das ganze Werk in großen Steigerungen und Bögen. Atemberaubend gelingen Gulda dadurch etwa Mozarts Klavierkonzert KV 537, Beethovens D-Dur-Sonate op. 10/3 und Webers Konzertstück.

Dass Gulda auch ein großer Debussy- und Ravel-Interpret war, der auf technischer Ebene offenbar ein Frühvollendeter war, rücken die Aufnahmen dankenswerterweise ebenfalls wieder ins Bewusstsein. Wer allein Guldas Darbietung der „L’Isle joyeuse“ oder des „Gaspard de la nuit“ hört, wird sogleich erahnen, was für einen ungeheuren Eindruck der junge Gulda auf das damalige Publikum gemacht haben muss. Demgegenüber fällt die Interpretation der vier Chopin-Balladen (wohlbemerkt nicht des wunderbar kräftig und frisch daherkommenden 1. Klavierkonzerts) in ihrer Wirkung deutlich ab, denn hier kehren sich die skizzierten Vorzüge Guldas ins Gegenteil um: Sein Chopin wirkt angesichts der rhythmisch forcierten und metrisch zu durchorganisiert wirkenden Verläufe wenig emotional berührend. Hier gibt es ungleich bessere Beispiele zeitgenössischen Chopin-Spiels. Strauss’ „Burleske“ wiederum zählt wohl auch heute noch, trotz vieler guter bis sehr guter Einspielungen, zu den Referenzaufnahmen.

Fazit: Man kann dem Label Profil/Hänssler nur dankbar sein, die frühen Platten Guldas in dieser Bandbreite „remastered“ herausgegeben zu haben – wer die große, spannungsreiche Zeit des Aufstiegs von Gulda nachvollziehen möchte, ist mit der verdienstvollen CD-Box bestens bedient.


Dr. Kai Marius Schabram, 12.05.2023

Label: Profil - Edition Günter Hänssler
Interpretation: 
Klangqualität: 
Repertoirewert: 
Booklet: 




Video der Woche:

Rubinstein spielt Chopin - Etude As-dur op.25 Nr 1

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