Magazin: CD-Kritiken
Beethoven: Sonatas Vol.1

Beethoven: Sonatas Vol.1: Daniel Heide, Klavier
Auf ein Neues ? Beethovens sämtliche Klaviersonaten
Daniel Heide nutzte die Corona-Pandemie für neue Alleingänge.
Der Pianist Daniel Heide (Jg. 1976), der in den letzten Jahren vor allem als überaus kompetenter Liedbegleiter und Kammermusiker hervorgegangen ist, hat die Corona-Pandemie tatkräftig genutzt, um für das Label CAvi sämtliche 32 Klaviersonaten von Beethoven einzuspielen. Die vorliegende Aufnahme aus dem Jahr 2021 mit den Sonaten op. 13 (Pathétique), op. 14 (Nr. 1 & 2) sowie op. 27 (Nr. 1) bildet das erste Volume. Verbindungsstiftend in sämtlichen gebotenen Interpretationen ist zum einen die durchgehende technische Souveränität, zum anderem die klangfarblich breite Palette, mit der Heide den an Referenzaufnahmen wahrlich nicht armen Werken begegnet. (An dieser Stelle muss auch den Tontechnikern Lob für die Leistung gespendet werden.)
Die inhaltliche Darbietung der Sonaten fällt demgegenüber leider nicht immer so überzeugend aus. Festzuhalten bleibt zunächst, dass Heide stets da pianistisch hervortritt, wo die leisen, intim-lyrischen Momente gefragt sind, wie etwa im Adagio der Pathetique (mit lobenswerter Herausstellung bisher ungehörter Nebenstimmen) oder den langsamen Sätzen von op. 14, Nr. 1, und op. 27. Hier scheinen sich Heides Erfahrungen und Kompetenzen als Liedbegleiter auszuzahlen. Problematisch wird es da, wo Beethoven die Gestaltung längerer Stimmungsbögen und forciert-ungezügelter Temperamente einfordert. Wird die spannungsreiche Dramaturgie des Pathétique-Kopfsatzes noch interessant präsentiert, indem Heide der erhaben anmutenden Grave-Einleitung ein komplementär drängendes, rhythmisch pulsierendes Allegro gegenüberstellt, so fallen die Eröffnungssätze von op. 14 und op. 27 leider weniger intensiv aus. Beim Hören drängt sich häufiger der Eindruck auf, dass das alles doch insgesamt fesselnder, zwingender und prozessualer gespielt werden könnte.
Zu kontrolliert
Exemplarisch sei auf den Kopfsatz der Es-Dur-Sonate (op. 27) verwiesen, wo Heide die Formteile des einleitenden Andante recht statisch, unaufgeregt und daher spannungsarm präsentiert. Es fehlen die dem Werk einkomponierten Prozessqualitäten, auf deren Grundlage das unvermittelt einbrechende Allegro zum Ereignis werden kann. Der Verlauf wirkt insgesamt zu kontrolliert interpretiert. Heide vermeidet die Extreme bzw. das Aus-sich-Herausgehen, um dadurch mehr Potential an Facettenreichtum und eben Spannungskraft zu generieren. Auch das Finale der Es-Dur-Sonate wird letztlich zu harmlos geboten: Welche energetischen Gehalte in diesem vielschichtigen Satz stecken, verdeutlicht der Vergleich mit Einspielungen von Friedrich Gulda oder Maurizio Pollini.
So bleibt abzuwarten, ob bzw. wie Heide in den folgenden Projekten seines Beethoven-Zyklus mehr interpretatorische Gestaltungskraft aufzubieten vermag, um dem „neuen Testament“ der Klavierliteratur (Hans von Bülow) bereichernde exegetische Aspekte abzugewinnen.
Dr. Kai Marius Schabram, 23.06.2023
Interpretation:
Klangqualität: Repertoirewert: |
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