Magazin: CD-Kritiken
Paul Hindemith: Complete Sonatas

Paul Hindemith: Complete Sonatas: for wind instruments and piano
Wie eine köstliche Pralinenschachtel
Ein gewichtiger und anregender Beitrag zur Hindemith-Rezeption.
Paul Hindemith gehört unbestritten zu den großen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Leider hat er jedoch nicht den gebührenden Grad Anerkennung und Verbreitung gewonnen, bedingt nicht zuletzt durch die aus dem Geist der Schönberg-Schule geübte Hindemith-Kritik Theodor W. Adornos, der bereits in den zwanziger Jahren Routine und bloßes „Musikantentum“ in Hindemiths Musik diagnostizieren glaubte zu können. Die Interpreten-Elite hat auch heute keinerlei Mühe, sich an Hindemith vorbeizuschwindeln. Das gelangweilte Nasenrümpfen, das schon die Erwähnung des Namens oft hervorruft, bleibt noch immer für das Gros der Konzertbesucher ein Reflex, der einer lebendigen Begegnung mit dieser erschwert. Der vorliegende Tonträger ist auch unter diesem Aspekt ein gewichtiger und anregender Beitrag zur Hindemith-Rezeption, versammelt er doch alle Sonaten Blasinstrumente und Klavier auf zwei CDs und erlaubt einen spannenden Einblick in die Entwicklung des kompositorischen Schaffens Hindemiths.
Insgesamt widmen sich 12 exzellente Instrumentalisten diesen stellenweisen sehr faszinierenden Kompositionen, die den Zeitraum von 1935 bis 1955 umfassen. Seinem Verleger Willy Strecker nennt er im November 1939 einige seiner Beweggründe für die Komposition: „Du wirst Dich wundern, dass ich das ganze Blaszeug besonate. Ich hatte schon immer vor, eine ganze Serie dieser Stücke zu machen. Erstens gibt es ja nichts Vernünftiges für diese Instrumente, die paar klassischen Sachen ausgenommen, es ist also zwar nicht vom augenblicklichen Geschäftsstandpunkt, jedoch auf weitere Sicht verdienstlich, diese Literatur zu bereichern. Und zweitens habe ich, nachdem ich mich nun schon mal so ausgiebig für die Bläserei interessiere, große Lust an diesen Stücken, und schließlich dienen sie mir als technische Übung für den großen Schlag, der dann mit der ‹Harmonie der Welt› [...] hoffentlich im Frühjahr in Angriff genommen werden kann.“
Musikalische Porträts
Jede der Sonaten wirkt wie ein musikalisches Porträt des Instrumentes, für das sie jeweils geschrieben ist. Individualität erhalten sie darüber hinaus auch aufgrund der Mannigfaltigkeit der Formen, die sich vor allem in den unkonventionellen Finalsätzen zeigt. An Hindemiths Musik schieden sich und scheiden sich noch immer die Geister und dies ist auch gut so, denn er hatte konkrete moralische und ethische Wertvorstellungen und dies muss geradezu zur Diskussion führen. Dies ihm aber vorzuwerfen, ist infam. Es ist an der Zeit, den von Adorno unter vielen Aspekten verunsicherten Blick auf die Entwicklung der Musik im 20. Jahrhundert zu revidieren. Auch unter diesem Aspekt dürfte der vorliegende Tonträger einen gewichtigen Beitrag zur Debatte leisten. Natürlich kann man diese CD nicht in einem Zug hören, dafür sind die einzelnen Kompositionen zu gewichtig, man sollte sich wie aus einer Pralinenschachtel das heraussuchen, was interessiert. Dazu gehört mit Sicherheit die einzigartige Sonate für Tuba und Klavier, die voller Witz und Ironie ist, und von Filippo Farinelli (Klavier) und Gianluca Grosso (Tuba) mit viel Spannung und Leichtigkeit interpretiert wird. Auch die zahlreichen Solisten der anderen Kompositionen überzeugen ohne Abstriche.
Michael Pitz-Grewenig, 25.10.2022
Interpretation:
Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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