Magazin: CD-Kritiken
Nikolaus Adam Strunck

Nikolaus Adam Strunck: Sämtliche Orgelwerke
Immer weiter
Wer kennt Delphin Strunck? Oder seinen Sohn Nicolaus Adam? Zumindest das Orgelwerk von Vater und Sohn kann man hier hören, wunderbar gespielt von Friedhelm Flamme.
Der Organist Friedhelm Flamme arbeitet sich immer weiter durch die feinen Verästelungen des norddeutschen Orgelbarock, in der nun schon elften Folge mit den überlieferten Gesamtwerken von Vater und Sohn Strunck: Delphin (1601-1694) war Organist in Wolfenbüttel, Celle und Braunschweig, durchaus mit den kompositorischen Größen seines Umfelds und seiner Zeit in Kontakt, und doch auf den norddeutschen Raum im engeren Sinn beschränkt. Sein Sohn Nicolaus Adam (1640-1700) hatte da, ausgehend von den väterlichen Prägungen, schon einen deutlich größeren Wirkungskreis, wirkte in Wien, Hannover, Hamburg, reiste nach Italien und wurde schließlich als Vizekapellmeister am kursächsischen Hof in Dresden angestellt. Daneben begann er in Leipzig ein langfristig nicht erfolgreiches Opernunternehmen und konnte am Ende seines Lebens auf ein bemerkenswert breites kompositorisches Schaffen zurückblicken.
Strunck Senior hinterließ choralbasierte Sätze, dazu Intavolierungen etwa von Werken Orlando di Lassos, auch ein interessantes Magnificat und eine ausgreifende 'Toccata ad manuale duplex'. Er beweist in seinen Arbeiten sublime Kunstfertigkeit, eine sichere Technik, durchmisst gerade die choralgebundenen Werke immer wieder in deutlich gebrochener Faktur, mit gelegentlich überraschender Linienführung. Es gibt feine Effekte impliziter Mehrchörigkeit zu hören. Insgesamt ein Werk von fast merkwürdiger Eigenständigkeit.
Der Sohn Strunck bringt in seine Capricci und Ricercare sehr frische Farben ein, voller Leuchtkraft und in erweiterter expressiver Anlage, gleichwohl auf klarer kontrapunktischer Basis. Nicolaus Adam zeigt sich insgesamt weit agiler und eleganter als sein Vater, auch in der Konzentration der Anlage wirken die knappen Sätze etwas schlüssiger.
Die Orgeln
Wie immer sucht und findet Friedhelm Flamme interessante Instrumente für seine Repertoire-Explorationen. Bei Strunck Vater ist es die ursprünglich Ende des 17. Jahrhunderts begonnene Schweimb-Orgel der Kirche St. Abdon und Sennen in Salzgitter-Ringelheim. Flamme registriert ein sehr feines Menü – die Register in all ihrer Farbigkeit kommen zur Geltung, oft sehr kleinteilig angeordnet. Es ist dies über weite Strecken ein Instrument der eher stillen Töne, der feinen Nuancen, selten der wirklich klanglich dominanten Geste. Wenn das volle Plenum erklingt, ist der Effekt allerdings beglückend. Dieser eher intime Klang wird gelungen abgebildet, allerdings mangelt es gelegentlich an Brillanz.
Den zweiten Teil des Programms bestreitet Friedhelm Flamme auf der Thielemann-Orgel der Dreifaltigkeitskirche zu Gräfenhein. Dieses Instrument ist geprägt von harmonisch verblendeten Registern, die durchaus von eindringlicher Präsenz sind. Die Orgel ist klug für den überschaubaren Kirchenraum konzipiert und dimensioniert, wirkt vor allem bemerkenswert agil und gelenkig. Aus dem Pedal sind vergleichsweise schmale Beiträge zu registrieren, Zungenstimmen nehmen keinen breiten Raum ein. In der klanglichen Realisierung spiegelt sich die geringere Dimension des Instruments wider: Das Abbild wirkt hell, direkt und sehr präsent.
Der Organist
Natürlich beweist Friedhelm Flamme auch in der aktuellen Folge der bei cpo erscheinenden Reihe seine eminenten technischen Fähigkeiten, seine hochdifferenzierte Artikulationskunst, seine manuelle Präsenz. Neben diesen Kernaspekten ist es einmal mehr die gestalterische Geduld, mit der er auch Werke, die ihre Qualitäten eher auf den zweiten Blick enthüllen, behutsam zu entfalten vermag.
Flamme hat sich eine einzigartige Expertise erspielt und auf seinem Weg durch unwegsames Repertoire erarbeitet. Er bereichert die Kenntnis zum norddeutschen Orgelbarock mit außerordentlicher Beharrlichkeit. Dazu gibt es wie stets feine Porträts hochinteressanter Orgeln zu hören. Und Flamme beweist im sensiblen und treffsicheren Umgang mit den Registrierungsmöglichkeiten dieser Instrumente seinen enormen Orgelsachverstand. Abgerundet wird diese wie die Vorgängerbeiträge hocherfreuliche Produktion durch ein umfassend informierendes Booklet, das neben einer soliden inhaltlichen Einführung und kurzen Porträts der Instrumente auch taktgenaue Darstellungen der Registrierungen bietet.
Dr. Matthias Lange, 16.04.2014
Interpretation:
Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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