Jean-Efflam Bavouzet
Der französische Pianist Jean-Efflam Bavouzet begnügt sich bei Debussy nicht mit Klangfarbenmalerei. Debussy hat mehr zu bieten ? Bavouzet auch.
"Große Kunst berührt Herz, Haut und Gehirn"

Sergiu Celibidache setzte einst das spitze Bonmot in die Welt, kein französischer Dirigent habe Sinn für die Musik seines Landes. Wenn ?Celis? Seitenhieb nicht schon längst von anderen Musikern widerlegt worden wäre ? Pianisten konnte er damit sicherlich nicht gemeint haben. Der französische Pianist Jean-Efflam Bavouzet wäre der ideale Gegenbeweis. Seine Auseinandersetzung mit Maurice Ravels Klaviermusik gilt als eine der faszinierendsten, sind dabei klanglicher Nuancenreichtum und strukturelle Durchleuchtung doch auf bezaubernde Weise miteinander verbunden. Und nun wurde pünktlich gegen Ende des Jubiläumsjahres Bavouzets Gesamteinspielung der Klavierwerke Claude Debussys fertig gestellt und beim Label Chandos veröffentlicht. Derweil arbeitet der mit zahlreichen Preisen geehrte Pianist bereits munter am nächsten Meilenstein: Er widmet sich den Klaviersonaten von Joseph Haydn und hat ganz nebenbei noch einen Beethoven-Zyklus begonnen. Über Debussy, die Verbesserungsspirale des Lehrens und die Pflichten eines Interpreten sprach er mit klassik.com-Autor Tobias W. Pfleger.
Können Sie sich erinnern, wann Sie das erste Mal mit Musik in Kontakt kamen?
Oh, das ist kaum zu beantworten. Bei uns zu Hause gab es immer Musik. Meine Mutter unterrichtete Musik an einer Schule.
Wieso haben Sie sich für das Klavier entschieden? War das Liebe auf den ersten Blick oder haben Sie noch andere Instrumente gespielt?
Ich habe auch zwei Jahre Oboe gelernt, dann acht Jahre Schlagzeug und mich auch intensiv mit elektronischer Musik auseinandergesetzt ? damals war das alles noch analog. Mit etwa 15 oder 16 Jahren habe ich die Klavier-Aufnahmeprüfung am Pariser Conservatoire geschafft. Daher habe ich mich seitdem auf das Klavier konzentriert.
Verlief Ihr künstlerischer Werdegang geradeaus auf die Profession als Konzertpianist zu?
Nein, überhaupt nicht. Über eine Musikerkarriere habe ich mir gar keine Gedanken gemacht ? vielleicht war das ein wenig naiv. Aber in solchen erfolgsorientierten Kategorien habe ich gar nicht gedacht. Mein Ziel war es und ist es immer noch, mich als Musiker weiterzuentwickeln.
Gibt es andere Pianisten, große Pianisten der Vergangenheit zum Beispiel, die Sie beeinflussten? Wen würden Sie da nennen?
Alle Lehrer haben mich stark beeinflusst, von meinem ersten Klavierlehrer in Metz an bis zu jenen Pianisten, bei denen ich Meisterklassen besucht habe. Marie-Paule Aboulker bereitete mich in Metz auf das Pariser Conservatoire vor, wo ich dann bei Ventsislav Yankoff, Jean Hubeau, Geneviève Joy-Dutilleux studiert habe. Drei Jahre lang war ich in der Klasse von Pierre Sancan, das war eine der entscheidenden künstlerischen Erfahrungen. Er war ein umfassender Musiker, ein angesehener Komponist, Dirigent, vor allem aber ein wunderbarer Pianist ? man muss nur einmal seine ?Papillons? von Schumann hören! Er zeigte mir, was es heißt, ein professioneller Pianist zu sein und enthüllte mir die Freuden am Üben. Später setzte ich mich in Meisterklassen bei Paul Badura-Skoda vor allem mit Haydn und Beethoven auseinander, bei György Sandor mit Bartók; auch mit Menahem Pressler und Dimitri Bashkirov habe ich gearbeitet. Auch kam noch Alexander Edelman dazu, der mir gezeigt hat, wie ich eine russische Farbe in mein Klavierspiel einbringen kann. Und dann gibt es noch eine Menge Pianisten, deren Klavierspiel ich aus Konzerten kannte und die mich als Künstler beeinflussten. Svjatoslav Richter oder Friedrich Gulda zum Beispiel versuchte ich zu hören, so oft es möglich war. 1985 machte mich Jean-Philippe Collard mit Vladimir Horowitz bekannt. Ich werde nie seine Kommentare und Ratschläge vergessen, als ich ihm Schumanns Klaviersonate f-moll vorspielte. Von besonderer Bedeutung war auch eine Reihe von Konzerten mit Zoltan Kocsis, die ich 1995 mit ihm zusammen gegeben habe. Das war eine Erfahrung von unglaublicher Tragweite! Ich hatte zu tun, um mit seinen Tempi und der Intensität seines Spiels mitzuhalten.
Welche Bedeutung hatten erste Auszeichnungen bei Wettbewerben für den Anfang Ihrer Laufbahn?
Der erste Platz beim Beethoven-Wettbewerb in Köln und bei den Young Concert Artists Auditions in New York 1986 waren von großer Bedeutung, weil sie mir auf einen Schlag den Konzertbetrieb eröffneten.
1995 hat Sir Georg Solti Sie zu Konzerten mit dem Orchestre de Paris eingeladen. Das war bestimmt der entscheidende Zündfunke für Ihre weitere Karriere?
Ja, zumindest ein entscheidender Schub. Vor allem aber war es eine ungemein bereichernde Erfahrung, für ihn jenes Repertoire zu spielen, das er selbst ja so gut kannte. Wir haben zusammen beispielsweise an Konzerten von Mozart und Bartók gearbeitet, aber auch an Klaviersonaten von Beethoven und an Stücken von Liszt und Chopin. Ich habe mich sogar getraut, das Vorspiel zu ?Tristan und Isolde? für ihn zu spielen.
Das Gespräch führte Dr. Tobias Pfleger.
(11/2012)