Aapo Häkkinen
Der finnische Cembalist Aapo Häkkinen steht für einen fantasievollen Zugang zur Barockmusik, fernab aller bequemen Routine.
"Wir wollen aus jeder Aufführung eine Premiere machen"

Das Helsinki Baroque Orchestra gilt mittlerweile als eines der führenden Alte-Musik-Ensembles, auch auf den internationalen Podien. Spiritus rector des 1997 gegründeten Ensembles ist seit 2003 der Cembalist Aapo Häkkinen. Neben erfolgreichen Auftritten in Konzert und Oper, einem wichtigen Betätigungsfeld für Barockensembles, fanden auch die Einspielungen des Helsinki Baroque Orchestra weithin Beachtung. Vor allem recht unbekanntes Repertoire stand dabei im Zentrum, etwa die Sinfonien von Franz Xaver Richter sowie Orchestermusik von Johan Joachim Agrell. Im Juni gastiert das finnische Ensemble in Deutschland. Zusammen mit der Mezzosopranistin Vesselina Kasarova ist ein Arien-Programm mit Werken von Georg Friedrich Händel in Halle, Villingen und Dresden zu hören. Man darf sich auf spannende Konzerte freuen, ist es doch, wie Aapo Häkkinen im Gespräch mit klassik.com-Autor Tobias W. Pfleger unterstrich, das Anliegen des Ensembles, mit Offenheit, Neugier und fantasievoller Lust am Ungewohnten die Musik des 18. Jahrhunderts für die Gegenwart lebendig zu machen.
Finnland ist eine Großmacht in Sachen Musik, eine musikalische Exportnation ? man denke an die zahlreichen Komponisten, Dirigenten, Sänger und Instrumentalsolisten, die auf der ganzen Welt Karriere machen. Im Bereich der Alten Musik scheint der Beitrag Finnlands aber nicht so groß.
Ja, das stimmt. Die Alte-Musik-Bewegung in Finnland ist im Vergleich zu vielen anderen westeuropäischen Ländern relativ jung. Mittlerweile hat sie sich allerdings gut etabliert ? in Helsinki. Ich spreche von Helsinki, denn Finnland ist ein großes Land; im Norden gibt es nicht so viele Bemühungen um die klassische Musik, schon gar nicht um die Alte Musik. In Helsinki aber schon.
Seit wann gibt es denn das Helsinki Baroque Orchestra?
Das Helsinki Baroque Orchestra ist mittlerweile 15 Jahre alt. Wir haben eine Konzertserie in dem neuen Konzertsaal in Helsinki. In den letzten zehn Jahren waren wir auch international sehr aktiv. Aber es gibt natürlich noch andere Ensembles und Kammermusikgruppen. Und es sind auch viele finnische Spezialisten für historische Musikinstrumente in anderen Ländern tätig. In den letzten Jahren hat sich in Bezug auf Alte Musik in Finnland viel getan. Das betrifft auch die Ausbildung in der Sibelius Akademie. Die Alte Musik hat sich dort mittlerweile fest etabliert. Man kann all die wichtigen Barockinstrumente studieren. Dazu kommt, dass auch auf modernen Instrumenten ausgebildete Musiker oft ein großes Interesse an Barockmusik haben.
Es ist ein interessantes Phänomen, dass nicht wenige Musiker, die viel zeitgenössische Musik spielen, sich mit gleicher Hingabe der Alten Musik widmen.
Ja, das ist wahr. Aber es gibt natürlich schon auch viele Musiker, die sich auch im romantischen Repertoire zuhause fühlen und nicht so viel zeitgenössische Musik machen. Wenn ich als Cembalist spreche: Das ist natürlich eine ganz simple Instrumentenfrage. Ich lernte schon in jungen Jahren Cembalo zu spielen und wurde dann auf dem Klavier nie richtig zuhause, daher ist das romantische Repertoire ziemlich außen vor ? in Bezug auf die professionelle Musikausübung. Das ist also vor allem eine Frage des Instruments, weniger, ob ich diese Musik mag oder nicht. Es gibt ganz allgemein nicht allzu viele Tasteninstrumentalisten, die Cembalo und Klavier gleich gut spielen können.
Ist das bei anderen Instrumenten nicht so?
Ja, bei Streichern ist das Instrument zum Beispiel nicht so unterschiedlich: Eine Violine ist eine Violine, ob nun modern oder historisch. Natürlich gibt es entscheidende Unterschiede, aber da ist es eher eine Frage des Stils, nicht des Instruments. In anderen Ländern, etwa in Frankreich, Holland oder Belgien, sehe ich zum Beispiel, dass die Instrumentalisten sich stärker spezialisieren: entweder Barockinstrumente oder das sogenannte moderne Instrument, das aber ja eigentlich ein romantisches Instrument ist. Die Spezialisierung ist dort also stärker als etwa in Deutschland oder in Finnland. Daher gibt es hier eine Menge von Musikern, die ein breites Repertoire abdecken. Auch im sogenannten barocken Streicherspiel gibt es unterschiedliche technische und musikalische Zugänge. Es gibt also nicht den einen Barockstil.
Hat das auch mit dem Ausbildungsort bzw. mit unterschiedlichen nationalen ?Schulen? zu tun? Ich denke da an den typisch englischen, geradlinigen Musizierstil, der sich von dem holländischen, sehr sprachnahen Barockstil doch deutlich unterscheidet.
Ja, absolut. Der Stil und auch die Technik des Spiels rühren von der generellen Ausbildung auf dem jeweiligen Konservatorium her. Das ist so etwas wie eine musikalische Muttersprache. Sie hängt direkt davon ab, wie man in einem relativ jungen Alter gelernt hat Musik zu machen. Später treten Einflüsse verschiedener anderer Stile hinzu; man kann nach prägenden Einflüssen Ausschau halten, man kann bewusst andere musikalische Entscheidungen treffen ? aber das wird dann in die eigene musikalische Sprache implementiert. Man kann nicht einfach einen anderen Stil anwenden und sagen: So, ab jetzt spiele ich so, nachdem ich ein bestimmtes Buch gelesen habe oder eine Aufnahme gehört habe. Man kann vielleicht viele kleine Details ausprobieren und verändern, aber man muss dennoch in der eigenen musikalische Sprache bleiben.
Das Gespräch führte Dr. Tobias Pfleger.
(05/2012)