Eduard Stan
Der rumänische Pianist Eduard Stan über seiner aktuelle Konzerttournee mit der Kammermusik von George Enescu.
Auf Tournee mit dem rumänischen Mozart

Der Pianist Eduard Stan im Gespräch mit Kevin Clarke über die Kammermusik des rumänischen Komponisten George Enescu (1881-1955) und die gerade gestartete Konzerttournee "Brahms-Enescu: Europäische Begegnungen", die Stan zusammen mit dem Geiger Remus Azoitei quer durch Europa und die USA führt.
Haben Rumänen eine besondere Beziehung zu George Enescu?
Das kann man schon sagen, ja. (lacht) Oder sagen wir?s mal so: Es ist hilfreich, Rumäne zu sein, wenn man Enescu aufführen will. Das ist aber nicht ausschließlich zu verstehen.
Was ist denn anders, wenn man Enescu als Rumäne spielt?
Wenn ich an mich persönlich denke, der ich Enescu recht spät für mich entdeckt habe (erst nach meinem 30. Geburtstag und nach 20 Jahren in Deutschland): Bei Enescus ?Impressions d'enfance? für Violine und Klavier op. 28 (1940) höre ich vieles, was mich an das dörfliche Leben meiner Kindheit in Rumänien erinnert. Die bildlichen Assoziationen sind da bei mir sehr stark.
Wieso erinnert Sie dieses Stück an Ihre Kindheit?
Es handelt sich um eine Suite mit zehn Bildern, da geht es beispielsweise um den alten Bettler oder das Bächlein hinten im Garten. Szenen, die man vor seinem geistigen Auge anders Revue passieren lässt, wenn man diese Dinge selbst miterlebt hat, in meinem Fall während vieler Sommerferien bei meinen Großeltern auf dem Dorf. Dann ist da noch das Volkstümliche, das man als Rumäne ganz selbstverständlich aufsaugt und in Enescus Musik sofort wieder erkennt. Zum Beispiel die umherziehenden Dorfmusikanten und Zigeunerfiedler. Enescu versucht, sie musikalisch ?zu treffen?.
Das klingt nach einem sehr romantischen Rumänienbild. Kann man das vergleichen mit der folkloristisch gefärbten Musik aus Ungarn?
Man kann es zumindest mit entsprechender ungarischer Musik in Beziehung setzen, wissend, dass Béla Bartók in einer Gegend geboren wurde, die im heutigen Rumänien liegt. Bartok hat im selben geografischen Raum geforscht und Klangeindrücke verarbeitet, wo auch Enescu zu hause war. Es ist aber besser, Enescus ?Volkstümlichkeit? zu vergleichen mit Chopin und dessen Mazurken. Chopin hat da versucht, keine direkten Zitate oder echte Volkslieder einzubauen, sondern wollte den Geist der polnischen Volksmusik einfangen. Wenn man beispielsweise Enescus 3. Sonate ?dans le caractère populaire roumain? für Violine und Klavier betrachtet, da merkt man speziell im 2. Satz, wie Enescu versucht, das Spiel der Zigeunergeiger zu imitieren; aber er kopiert sie nicht, sondern integriert den improvisierenden Vortragsstil der Zigeuner in seine großartige Sonatenform.
Das malerische Rumänienbild, das Enescu teilweise in seiner Musik entwirft, entspricht kaum dem, woran die meisten Deutschen heute beim Stichwort Rumänien denken...
Das Rumänienbild ist hierzulande vielfach behaftet von allem möglichen, was in der Vergangenheit teils mit rumänischen Banden assoziiert wurde. Wir als Künstler verstehen uns als Gegengewicht dazu und wollen zeigen, dass Rumänien insgesamt etwas anderes ist.
Kann man das mit Enescu am besten ? oder gibt?s noch andere musikalische Exportartikel?
Nein, Enescu ist sicher die Nummer Eins im klassischen Bereich. Enescu ist das, was Bartók für Ungarn oder Dvo?ák für Tschechien und die Slowakei ist.
Hat das teils negative Rumänienimage Auswirkungen auf die Enescu-Rezeption oder verursacht es Desinteresse bei hiesigen Klassikfans?
Nein, Desinteresse haben wir mit unserem Enescu-Repertoire nie erfahren. Wenn wir z.B. die 3. Sonate a-Moll (1926) spielen, dann kommt die immer an, egal bei welchem Publikum. Das liegt an der Qualität der Musik, nicht daran, dass Enescu Rumäne war. Sicher sorgt die folkloristische Ebene für ein bestimmtes Klangkolorit, aber das Werk selbst ist architektonisch fantastisch gebaut. Das ist das Einzigartige an Enescu, dass er wegen seiner Ausbildung in Wien als ganz junger Spund ? er wurde mit acht ins Konservatorium aufgenommen, als einziger in diesem Alter nach Fritz Kreisler ? das Wiener Formgefühl und später die Pariser Eleganz aufgesogen und in seinem Werk verarbeitet hat. Die Assimilation von rumänischen Wurzeln und so verschiedenen europäischen Einflüssen wie jenen aus Wien und Paris, das ist das Besondere an Enescus Persönlichkeit und Oeuvre. Diese Kombination ist in der gesamten Musikgeschichte einzigartig.
Wer waren Enescus musikalische Idole?
Enescu sprach immer von seinen drei Göttern und meinte damit Bach, Beethoven und Brahms. Wenn man sich anguckt, was er im Kammermusikbereich komponiert hat, dann ist die Parallele zu Brahms doch sehr frappierend, weil er für ähnliche, recht ungewöhnliche Besetzungen geschrieben hat ? vom Duo, Trio bis zum Streichoktett und Bläserdezett.
Das Gespräch führte Dr. Kevin Clarke.
(10/2009)