Javier Perianes
Pianist Javier Perianes über die Musik Spaniens und sein Debut beim Lucerne Festival 2011
"Mentalität und Atmosphäre eines Landes sind fester Bestandteil seiner Musik"

Javier Perianes gilt als einer der talentiertesten jungen Pianisten Spaniens. Für das Plattenlabel Harmonia Mundi hat er bislang vier Alben eingespielt. Perianes konzentriert sich in seinem Schaffen vor allem auf spanische Komponisten und die deutsche Romantik. Er entdeckte für uns die Musik von Blasco de Nebra, die schweigsamen Töne der ?Música Callada? von Federico Mompou und nun das eindrucksvolle Klavierwerk von Manuel de Falla. Auf dem Lucerne Festival 2011 debütierte er an der Seite von Zubin Mehta. klassik.com Autor Toni Hildebrandt traf den Pianisten nach dem Konzert im Luzerner KKL und sprach mit ihm über das Paris um 1900, seine spanische Heimat und ein anstehendes Beethoven-Projekt.
Herr Perianes, Sie sind in diesem Jahr mit dem Israel Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Zubin Mehta zum ersten Mal bei dem Lucerne Festival aufgetreten. Manuel de Fallas Sinfonische Impressionen für Klavier und Orchester ?Noches en los jardines de España? standen auf dem Programm.
Ja, das Lucerne Festival ist natürlich eine Art ?Sancta Sanctorum? der Festivalsaison. Sie können sich vorstellen, was es für mich bedeutet hat, dieses Jahr zum ersten Mal in Luzern zu spielen ? zudem mit Zubin Mehta und dem erstklassigen Israel Philharmonic Orchestra. Man könnte fast denken, dass es geplant war, weil ich ja zeitgleich mein Album veröffentlicht habe, aber das war nicht so. Für mich hat dieses Jahr einfach alles wunderbar geklappt. Die Zeit in Luzern war zudem sehr angenehm, und ich fühlte mich ruhig, weil wir das Programm zuvor schon sechs Mal in Israel gespielt hatten. Aber natürlich ist nichts wirklich vergleichbar mit Luzern. Es war eine einzigartige Erfahrung.
Haben Sie mit Zubin Mehta schon einmal zusammen gearbeitet?
Ja, im letzten Jahr hatte ich die Gelegenheit, mit ihm in Spanien zu spielen, in Valencia mit dem dortigen Orchester. Zubin Mehta war für einige Wagner-Aufführungen in Spanien, und wir spielten Schumanns Klavierkonzert. Das war unsere erste Zusammenarbeit. Nach Schumann kam dann Manuel De Falla.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit Zubin Mehta in Luzern? Er ist ja nicht nur einer der bedeutendsten Dirigenten seiner Generation, sondern auch eine außergewöhnliche Persönlichkeit.
Genau, er ist natürlich zunächst ein großer Name, aber man muss sicher immer fragen: warum eigentlich? Als ich mit ihm gearbeitet habe, konnte ich einfach alles sofort verstehen. Er ist sehr unkompliziert und bescheiden. Das macht es einem sehr leicht, Vertrauen zu gewinnen. Wir sprachen zum Beispiel viel über die Tempi, und es war immer sehr leicht zu verstehen, was er sich wünscht. Zubin Mehta war auch sehr zuvorkommend, als wir Schumanns Klavierkonzert in Valencia spielten. Er war der beste Dirigent, mit dem ich bislang spielen durfte, weil er auf verblüffende Weise antizipiert, was man macht oder machen wird. Das ist wirklich sehr selten. Im vergangenen Juli in Israel sagte mir Daniel Barenboim noch: ?Du musst gut aufpassen, er weiß immer, was du tust, bevor du es tust.? Genau so war es dann auch.
Es war tatsächlich auch ein sehr eindrucksvolles Konzerterlebnis. Ihr Auftritt mit de Fallas Sinfonischen Impressionen für Klavier und Orchester, aber auch sein ?Boléro?. Das Publikum war begeistert. Man hat gespürt, dass es zwischen Zubin Mehta und dem Israel Philharmonic Orchestra einen ganz innigen Dialog gibt. Es war fast ein blindes Verständnis, besonders in Debussys ?Images? für Orchester und den drei Bildern von ?Ibéria?. Das KKL in Luzern ist natürlich auch ein wunderbarer Konzertsaal. Die Akustik ist einfach fantastisch.
Es ist unglaublich. Ich verstehe erst jetzt, warum Claudio Abbado den Raum für einige seiner Aufnahmen auswählte. Er ist einfach magisch!
Man verbindet neben Abbado mit dem Lucerne Festival natürlich auch den Namen eines italienischen Pianisten: Maurizio Pollini. War er für Sie ein Vorbild? Hat er eine Rolle gespielt in Ihrer stilistischen Entwicklung?
Ja durchaus, aber natürlich ebenso wie viele andere auch. Und ich muss sagen, ich habe ihn leider nie persönlich kennen gelernt. Ich lernte sehr früh Barenboim kennen, und er war definitiv ein sehr wichtiger Einfluss, auch menschlich. Barenboim war sehr wichtig für mich, und ich verdanke ihm unglaublich viel. Dann gab es Richard Goode, ein amerikanischer Pianist, und natürlich Maria João Pires. Radu Lupu ist ein sehr spezieller Pianist mit einem unverwechselbaren Stil. Natürlich muss ich als Spanier auch Alicia de Larrocha erwähnen! Sie war großartig, nicht nur als Interpretin spanischer Musik. Da muss man nur die Aufnahmen mit Colin Davis und dem London Symphony Orchestra anhören: Mozart, Scarlatti, Mendelssohn, Chopin, selbst Rachmaninow? Sie war einfach großartig, und ich habe viel von ihr gelernt.
Das Gespräch führte Toni Hildebrandt.
(09/2011)